SCHREIBEND
DER NATUR
AUF DER SPUR
Mit dem Stift in der Hand lässt sich wunderbar die Natur erkunden und unsere je eigene Beziehung zu ihr. Was diese kreativen Expeditionen bringen? Sie tun gut. Sie machen Spass. Sie wirken nachhaltig.
Text: Andrea Keller

Augen auf – und durch: Die Klimakrise, das Artensterben und die Plastikverschmutzung sind nur drei von unzähligen Beispielen, die bezeugen, dass der Mensch die Natur nicht nur beeinflusst, sondern sie enorm schädigt, teils auch unumkehrbar zerstört. Dadurch gefährden wir nicht zuletzt unsere eigenen Lebensgrundlagen und die Zukunft unserer Kinder und Kindeskinder. Mit der Zuspitzung des Lage wird der Ruf immer lauter, unser Selbst- und Naturverständnis zu überdenken. Es gilt, den Spalt der Welt zu schliessen – diese konstruierte Kluft zwischen Mensch und Natur, zwischen Natur und Kultur.
«Die Frage nach dem Verhältnis des Menschen zur Natur ist wahrscheinlich die wichtigste des gegenwärtigen Jahrhunderts.»
Philippe Descola, Anthropologe
Schreibend bewegen
Auf dem literarischen Feld verfügt das so genannte «Nature Writing» seit Anbeginn über beeindruckende Protestkraft hin zu mehr Naturerleben, Naturerkundung und Naturverbundenheit. Nature-Writing-Ikonen wie Henry Davis Thoreau und John Muir haben bereits im 19. Jahrhundert Kritik an der industrialisierten Massengesellschaft geübt und uns die Liebe zur Wildnis ins Herz gespielt. Bis heute gelten sie – wie auch die Zoologin, Biologin und Autorin Rachel Carson – als literarische Popstars der Ökologie-Bewegung. Deren Schreiben hat viel bewegt, bewegt noch immer. Ein Merkmal, das in den Texten hervorsticht: die genaue Beobachtung.
«Je klarer wir unsere Aufmerksamkeit auf die Wunder und Welten des uns umgebenden Universums richten können, desto weniger Geschmack werden wir an der Zerstörung finden.»
Rachel Carson, Autorin (Silent Spring)
So wertvoll Worte und Werke bekannter Autor:innen sind: Es lohnt sich, die Fährte auch selbst aufzunehmen. Dabei können wir «Nature Writing» im klassischen Sinne und damit verbundene Erwartungen an den Text getrost hinter uns lassen. Man darf natürlich, muss aber keinesfalls Schreib- oder Natur-Profi sein, um sich schreibend mit der je eigenen Beziehung zur Natur auseinanderzusetzen und sich auch von ihr, der Natur, inspirieren zu lassen. Ein grosses Potential liegt entsprechend im kreativen Schreiben, bei dem wir den berühmt-berüchtigten inneren Zensor mal in die Pause schicken und ganz ohne Leistungsdruck Texte verfassen. Auch das spielerische Formulieren und Reflektieren ist ein schöpferischen Akt, der uns an wertvolle Erkenntnisse heranführen kann und etwas bewegen.
«Die Natur ist unsere erste Mutter und unsere erste Liebe, unsere erste Lehrerin in den Lektionen des Lebens und jenen des Todes.»
Tina Welling, Autorin (Writing Wild)
Schreibend verbinden
Unsere Schreibworkshop-Angebote im «Grünen Schreiben» verstehen wir als Einladung, sich mittels verschiedener Impulse mit der Natur zu befassen. So gelingt es, in einen kreativen Dialog zu treten und dabei auch dem eigenen Dasein und Ausdruck Raum zu schenken. Wer über die Natur schreibt, könnte man sagen, schreibt ein Stück weit auch immer über sich selbst. Und gerade dann, wenn es drückt – im Innen, von Aussen – entpuppt sich das Schreiben als wertvolle Ressource, die uns dabei helfen kann, in dieser herausfordernden Welt nicht kaputt zu gehen. Zudem beschäftigt sich das Schreiben in Verbindung mit Natur oft auch mit der so genannt inneren Dimension von Nachhaltigkeit, also mit unseren Werten, unseren Denkweisen, Grundüberzeugungen und Haltungen.
Der Stift in der Hand ist entsprechend eines der Werkzeuge, die uns auf dem Weg in eine lebenswerte Zukunft unterstützen können. Und es ist eines, das wir alle «zur Hand» haben. Eines, das verbindet. Eines, das wir einfach mal ausprobieren können, neugierig, spielerisch, auch zusammen mit anderen. Zum Beispiel am 27. Juni im Schreibworkshop «Lauschig und schreibend» im Waldschulzimmer Lindberg, Winterthur (18:00 – 21:00).